Auch mit 75 lebt Iggy Pop das Punkleben in vollen Zügen. © APA/EVA MANHART
alte Zeiten? Nein, Iggy Pop definitiv nicht. Auch wenn das 2019 erschienene neueste Album der US-Musiklegende „Free“ ebenfalls mit ruhigeren Tönen daherkommt, lebt der Sänger, der in diesem Jahr 75 Jahre alt wurde, immer noch Punkrock mit jeder Faser seines Seins. Davon konnte man sich am Freitagabend im Wiener Konzerthaus überzeugen, als Pop ein Konzert spielte, das bei den Fans keine Wünsche offen ließ. Nach einem atmosphärisch dichten Intro, gespielt hauptsächlich von Gitarristin Sarah Lipstate, dauerte es keine zwei Minuten, bis das nächste „Five Foot One“ das Publikum von den Sitzen riss. Ein Sitzkonzert von Iggy Pop? Du kannst es versuchen, aber es wird nicht funktionieren – nicht bei den Fans der ersten Stunde (sprich: die Stooges), nicht bei den neueren Gesichtern in der Fangemeinde. Infolgedessen drängten sich Körper in der Nähe der Bühne, auf der sich ein anderer Körper zu winden begann. Ihr wisst es mittlerweile: Iggy Pop hält nicht viel von Oberbekleidung, weshalb seine Baggy-Jacke früh rausgeschmissen wurde. Ärgerlich ist nur, so ein Stück Stoff, wenn sich das umliegende Septett durch Hits wie „Gimme Danger“ oder „Death Trip“ spielt, während der Meister selbst den Mikrofonständer in die Luft wirft, auf den Boden eines Konzertsaals spuckt unbekannte Natürlichkeit oder ein “Fuck Yeah!” Und abgesehen von diesen Frivolitäten hatte Pop eine schrecklich gute Stimme. Was angesichts der Karriere des als Sänger geborenen James Newell Osterberg ein wenig verwundert. Schließlich war er nicht als Sorgenkind bekannt, was ein Blick auf sein aktuelles Äußeres immerhin vermuten lässt. Dennoch: Diese Energie und Spielfreude sollten auch jüngere Kollegen nachahmen. Mit Klassikern wie „Lust for Life“ und „Passenger“, die im ersten Drittel direkt hintereinander angeboten werden, ist es auch einfach, das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Aber neu veröffentlichtes Material sollte keinesfalls abgetan werden. Schließlich ist „Free“ auch einer der Gründe dafür, dass die Live-Band von Iggy Pop, die derzeit eine so hochkarätige Besetzung hat, von Songwriter und Trompeter Leron Thomas geleitet wird. Punk-Attitüde trifft also auf Free Jazz. Aber wer Pop kennt, sollte sich über eine solche Mischung nicht wundern. Selbst ein Song wie „Mass Production“, der nicht weniger als 45 Jahre alt ist, verbindet gekonnt Wut und Ehrgeiz. Jedenfalls hatten die „People of Vienna“, wie Pop einst die jubelnde Menge ansprach, viel zu tun in diesen atemlosen 90 Minuten, die sich in einen einzigen Triumphzug verwandelten. Die hypnotischen Grooves in „James Bond“, die süßen Vocals und giftigen Schreie in „I’m Sick of You“ oder das immer wahnsinnige „Fun House“ garantierten, dass fast jede Seite des „Godfather of Punk“ zu ihrer eigenen wurde. Dafür erhielt er – zu Recht – viel Beifall. So heftig hatten die Wände des Konzertsaals schon lange nicht mehr gezittert. iggypop.com