In Moskau haben Tausende Menschen Abschied von Michail Gorbatschow genommen. Vor dem Gebäude, in dem der Sarg aufgebahrt war, bildete sich eine Schlange. Auch Ungarns Ministerpräsident Orban nahm an der Trauerfeier teil. Mehrere tausend Menschen haben in Moskau Abschied von dem ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow genommen. Die Trauernden gingen am offenen Sarg vorbei, der von Ehrenwachen flankiert wurde, und legten Blumen nieder. Gorbatschows Tochter Irina und seine beiden Enkeltöchter saßen neben dem Sarg, der im Haus der Gewerkschaften aufgebahrt war. Das Gebäude war offen zugänglich, eine lange Schlange bildete sich davor. Der Andrang war laut der Nachrichtenagentur AP so groß, dass der Zeitrahmen für den öffentlichen Abschied um eine Stunde verlängert wurde. Die Trauerfeier für den Friedensnobelpreisträger fand ohne großen Pomp statt – und auch ohne Russlands Präsident Wladimir Putin. Der Kreml verwies zur Begründung auf dessen vollen Terminkalender. Putin hatte Gorbatschow an dessen Sarg am Donnerstag die letzte Ehre erwiesen. Als Miteigentümer der kremlkritischen Zeitung “Nowaja Gaseta” hatte der Verstorbene unter anderem Beschränkungen der Pressefreiheit und andere autoritäre Machtzüge unter Putin kritisiert. Zahlreiche Menschen warteten vor dem Haus der Gewerkschaften nahe des Kreml, viele hatten Blumen dabei. Bild: EPA

Orban und Medwedew bei Trauerfeier

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew nahm an der Trauerfeier teil und legte Blumen am Sarg nieder. Wegen des Kriegs waren viele westliche Staaten bei der Trauerfeier nur mit ihren Botschaftern vertreten. Deutschland wird durch den Geschäftsträger der Botschaft repräsentiert. Als einer von wenigen ausländischen Politikern war auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban unter den Gästen. Orban pflegt trotz der westlichen Sanktionen wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ein gutes Verhältnis zu Präsident Wladimir Putin. Sein Sprecher sagte der staatlichen Nachrichtenagentur MTI, der Regierungschef wolle Gorbatschow “an der Bahre seine letzte Ehre erweisen”.

In Deutschland geschätzt, in Russland kritisiert

Gorbatschow, der als wichtiger Wegbereiter der deutschen Einheit gilt, war am Dienstag im Alter von 91 Jahren gestorben. Er hatte die Sowjetunion als deren letzter Präsident von 1985 bis 1991 geführt. In Russland wird Gorbatschow von vielen für den Zerfall der Sowjetunion und damit für den Niedergang der Größe Russlands verantwortlich gemacht. Entsprechend wurde für ihn kein nationaler Trauertag ausgerufen. Auch ein Staatsbegräbnis gibt es nicht. Vor allem in Deutschland genoss Gorbatschow jedoch hohes Ansehen. Er gilt als einer der Väter der deutschen Einheit. Der Verstorbene soll auf dem Moskauer Prominentenfriedhof am Neujungfrauenkloster bestattet werden – neben seiner Frau Raissa.

Abschied von Michail Gorbatschow

Annette Kammerer, ARD Moskau, 3.9.2022 · 13:02 Uhr