“Wie Trüffelschweine haben wir diese Sätze seziert und versucht, das unglaublich weite und tiefe Hinterland der menschlichen Seele zu erforschen”, erklärte Katharina Lorenz, die eine kalte, selbstfremde Genia Hofreiter gibt, vor dem APA-Interview. Was Frey selbst an „Das weite Land“ interessiert, ist „das Spinnennetz, das Vielfältige, das Facettenreiche, das Musical“, wie die Regisseurin sagt. „Es ist die Schönheit des Titels, die sich aufgrund der Eskalationen in Schwärze verwandelt.“ Entsprechend düster ist die Stimmung zu Beginn, wenn Genia kraftlos in ihrem Sessel hängt, aus dem sie sich im ersten Akt nicht erheben wird. Nach und nach tauchen die schwarz gekleideten Gestalten, frisch von der Beerdigung des Pianisten Korsakov, hinter dem Vorhang hervor und betreten Hofreiters Villa, bis schließlich Michael Maertens nicht fröhlich, sondern eher verbrannt in sein emotional eingefrorenes Zuhause zurückkehrt. und Lampenmacher desorientiert Friedrich. Wie die Insekten, auf die in den aufgezeichneten Wissenschaftsclips in den Archiven Bezug genommen wird, fressen sich die Charaktere durch die Leiche von Hofreiters Ehe, bis – wie Frey verkündete – das bloße Skelett zum Vorschein kommt. Von Schnitzlers lustvoll ausgeschmücktem Liebes- und Betrugsspiel bleiben nur die nackten Verstrickungen. Die Beziehung dreht sich fast mechanisch, als wäre der Mensch vom Schicksal bestimmt und dazu verdammt, immer nach größerem Glück zu suchen, wenn nur das Unheil wartet. Abgesehen von der um Fassung ringenden Genia und dem erschöpften Friedrich benehmen sich die junge Erna (erfrischend kokett: Nina Siewert) und der Greenhorn Otto (Felix Kammerer) wie windende Fliegen, die sich in der feinmaschigen Spinne verfangen. Gewebe des Paares Hofreiter. Mit einer wunderbar tugendhaften Dorothee Hartinger als Frau Wahl und einem sehr korrekten Itay Tiran als Dr. Wall, die beiden haben ihren umgekehrten Spiegel vor sich. Besonders gelungen ist auch das Casting des jahrzehntelang getrennten Aigner-Paares, bei dem Bibiana Beglau eine Doppelrolle spielt: Während sie als Schauspielerin Anna Meinhold-Aigner in einer intimen Szene mit Genia lesbische Erotik andeutet, leiht sie Aigner in der dritten dem Hoteldirektor aus – vielleicht der am stärksten gekürzte – Akt hat den Anflug einer bitteren Kälte, der auch allerlei Textzeilen des in dieser Inszenierung gekürzten Dichters Rohn zuteil wird. Sabine Haupt und Branko Samarovski hingegen bleiben als Natter-Ehepaar blass. Die Sprengkraft ihrer Präsenz im Hause Hofreiter durch Adeles frühere Beziehung zu Friedrich fehlt dieser ansonsten scharfen Inszenierung etwas. Dennoch ist Barbara Frey eine Schnitzlernacht gelungen, die in ihren schonungslosen Streichungen erfrischend ist und viele Erwartungen an eine solche Nacht radikal enttäuschen kann. Vielmehr spiegelt das diszipliniert agierende Ensemble die Seelenlosigkeit wider, die Schnitzler unter der Oberfläche heiterer Lust verborgen hat. Nach zweieinhalb Stunden ohne Pause war das Premierenpublikum sehr beeindruckt. (SERVICE – „Das weite Land“ von Arthur Schnitzler, Regie: Barbara Frey, Set: Martin Zehetgruber, Kostüme: Esther Geremus, Musik: Josh Sneesby, mit: Katharina Lorenz – Genia Hofreiter, Michael Maertens – Friedrich Hofreiter, Bibiana Beglau – Anna Meinhold-Aigner und Doktor von Aigner, Felix Kammerer – Otto, ihr Sohn, Dorothee Hartinger – Frau Wahl, Nina Siewert – Erna, ihre Tochter, Itay Tiran – Doktor Franz Mauer, Branko Samarovski – Bankier Natter, Sabine Haupt – Adele, die Ehemann , Burgtheater Koproduktion mit der Ruhrtriennale Aufführungen im Akademietheater Wien: 4., 11., 20. September, jeweils 19 Uhr, )