Liz Truss hat in ihrer Karriere mehrmals den Besitzer gewechselt. Während ihrer Studienzeit forderte sie als Liberaldemokratin mutig die Abschaffung der Monarchie. Nach ihrem Wechsel zur Konservativen Partei unterstützte sie zunächst den Verbleib Großbritanniens in der EU, um sich nach dem Referendum ebenso leidenschaftlich für einen harten Brexit einzusetzen. Der 47-jährige Außenminister ist anpassungsfähig. Man könnte sie sogar opportunistisch nennen. Jedenfalls weiß er, wie man an die Spitze kommt. An ihrem Sieg im parteiinternen Duell gegen Ex-Finanzminister Rishi Sunak um die Nachfolge von Boris Johnson stand schon vor der Bekanntgabe der Ergebnisse am Montag kein Zweifel: Liz Truss wird voraussichtlich Tory-Chefin und damit Premierministerin Großbritanniens. Er kann nur hoffen, dass Großbritannien sich als Premierminister neu erfindet, diesmal als ernsthafter Politiker. Die jüngsten Auftritte des Thatcher-Imitators und Johnson-Loyalisten bieten keine Hoffnung. Truss versteht es, sich in Szene zu setzen und Schlagzeilen zu machen. Rechnet man aber wie die Nachrichtenplattform Politico ihre 149 Wahlversprechen zusammen, kommt ein Palawatsch heraus. Ihre Mantra-ähnlichen Ankündigungen, Steuern zu senken und gleichzeitig die Ausgaben zu erhöhen, würden laut Financial Times bis Mitte des Jahrzehnts ein Loch in Höhe von 60 Milliarden Pfund in die Kassen treiben. Großbritannien kann sich das nicht leisten.