CDU-Chef Merz lobt die sozialen Aspekte des Ampel-Entlastungspakets. Aber ihm fehlen Antworten von der Regierung, besonders wenn es um Strom geht. Für Merz ist klar: Es muss weiter aus Atomkraft kommen – bis zu fünf Jahre lang.
Das dritte Hilfspaket der Bundesregierung enthält nach Ansicht von Oppositionsführer Friedrich Merz die richtigen Punkte, geht aber an vielen Stellen nicht weit genug. Durch die Einbeziehung von Rentnern und Studenten werde “etwas korrigiert, was die Koalition falsch gemacht hat und was wir angesprochen haben”, sagte der CDU-Parteichef und Unionsfraktionschef im Sommerinterview im ARD-Studio der Hauptstadt. Andere Dinge sind richtig, wie „schwachen Haushalten zu helfen“.
Man müsse aber mehr für diejenigen tun, “die knapp über der Wohngeldschwelle und über den Sozialhilfesätzen liegen”, sagte Merz. Er wies darauf hin, dass auch dafür Spielräume bestehen – zum Beispiel weil der Staat derzeit höhere Einnahmen etwa aus der Mehrwertsteuer habe.
“Ein ganz entscheidender Punkt” fehlt Mertz
Zudem fehle in dem Dokument der Bundesregierung “ein ganz entscheidender Punkt”, kritisierte der CDU-Chef: Es gebe keine Antwort darauf, woher der Strom für die kommenden Wochen und Monate kommen solle. „Sie haben diesen Versorgungsschock, den wir durch den Mangel an russischem Gas erlebt haben, im Grunde überhaupt nicht behandelt – geschweige denn ausgeglichen.“
Merz bemängelte zudem, dass das Papier keine Vorschläge zur Stützung der Wirtschaft enthalte – „für den Mittelstand, für Handelsunternehmen, die wirklich am Rande der Existenz stehen, die jetzt wirklich mit dem Rücken zur Wand stehen“. Er erwartet, dass “die deutsche Wirtschaft in den kommenden Tagen massiv protestieren wird, dass sie nicht mitdenkt”.
ARD-Sommerinterview mit CDU-Chef Friedrich Merz
Bericht aus Berlin, 4. September 2022
Viel Zeit, um an den Details des dritten Hilfspakets der Bundesregierung zu arbeiten, blieb Merz nicht. Das Interview mit ihm wurde am frühen Nachmittag aufgezeichnet, nur wenige Stunden zuvor hatte die Bundesregierung die Beschlüsse des Koalitionsausschusses bekannt gegeben.
Geplant sind unter anderem Direktzahlungen an Studierende und Rentner, eine Wohngeldreform und eine Nachfolgeregelung zum 9-Euro-Ticket – dessen Preis sich nach dem Grad der Beteiligung der Länder richten soll.
Lob von Merz für das 9-Euro-Ticket
Im Format „Ask Yourself“ – in dem Mertz nach dem Sommerinterview Fragen von Zuschauern beantwortete – äußerte er sich auch zum 9-Euro-Ticket, das im Frühjahr Teil eines Hilfspakets der Bundesregierung war. Er nannte das Ticket eine grundsätzlich gute Idee und lobte vor allem die Möglichkeit, ein bundesweit gültiges Ticket zu erstellen. Der Preis von neun Euro sei allerdings “unhaltbar”.
Merz sprach sich erneut klar für einen längeren Verbleib der Atomkraft aus. Niemand in der Union will den Atomausstieg. Die noch in Deutschland betriebenen Kernkraftwerke müssen jedoch länger laufen – und zwar nicht nur im Stretchbetrieb, sondern mit neuen Brennstäben. Merz hatte Anfang August einen Zeitraum von „mindestens zwei“ Jahren angegeben. Im ARD-Interview sagte er auf die entsprechende Frage: Ich schätze, dass wir die drei verbleibenden Atomkraftwerke noch drei, vier, fünf Jahre am Laufen halten müssen, um hierzulande eine ausreichende Stromversorgung zu haben.
„Fragen Sie sich selbst“ mit CDU-Chef Friedrich Merz
Bericht aus Berlin, 4. September 2022
In Deutschland sind derzeit drei Kernkraftwerke am Netz: Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen. Beim Atomausstieg wurde vereinbart, dass sie zum Jahresende stillgelegt werden.
Ob es möglich und sinnvoll ist, Kraftwerke länger am Netz zu lassen, prüft die Bundesregierung derzeit mit einem sogenannten Stresstest. Ergebnisse sollten bald vorliegen. Beim Streckbetrieb werden die verbleibenden Kapazitäten über einen Zeitraum im Folgejahr verteilt, um etwaigen Stromengpässen im Winter besser begegnen zu können.
Merz: Deutsche Atomkraftwerke sind sicherer als französische
Mit Blick auf die Sicherheit macht sich Merz keine Sorgen. „Kernkraftwerke werden während des Betriebs kontinuierlich überwacht und gesteuert.“ Deutsche Atomkraftwerke seien sicherer, “als alle, die wir derzeit auf der Welt haben” – auch sicherer als die in Frankreich, wo derzeit viele Reaktoren stillstehen und Frankreich Strom importieren muss. „In Frankreich sind noch 56 Atomkraftwerke in Betrieb. In Deutschland werden die letzten drei sicheren abgeschaltet. Das rechnet sich nicht“, sagt Merz.
Bundeskanzler Olaf Solz, der heute im Sommerinterview mit dem ZDF war, äußerte sich nicht konkret zur Frage der Betriebszeiten von Atomkraftwerken. Scholz sieht keine Gefahr eines Winter-Blackouts – vor dem Merz zuvor in einem Zeitungsinterview gewarnt hatte.
Er sei “sehr zuversichtlich, dass wir dem entkommen”, sagte Scholz dem ZDF. Er wies darauf hin, dass Kohlekraftwerke reaktiviert würden, „damit wir Erdgas sparen können“. In wenigen Monaten werden die ersten Gaslandeterminals eröffnet. All das hilft, „sicher durch diesen Winter zu kommen“. Das ARD-Sommerinterview und „Frag dich selbst“ wurden am frühen Nachmittag gedreht. Sie finden beides als vollständige Videos auf dieser Seite.